Steuerbefreites Familienheim
Für die Erbschaftsteuer gibt es attraktive Steuerbefreiungen für das so genannte Familienheim. Diese Steuerbefreiungen gelten unter anderem zu Gunsten überlebender Ehegatten und Kindern des verstorbenen Eigentümers. Sie sind von besonderem Interesse, weil sie keine wertmäßigen Begrenzungen vorsehen (kein Höchstbetrag für den Wert der Immobilie). Es kommt zu einer Nachversteuerung, wenn der begünstigte Ehegatte oder das begünstigte Kind das Familienheim innerhalb von zehn Jahren seit dem Todesfall nicht mehr selbst zu Wohnzwecken nutzt. Das gilt nur dann nicht, wenn der Erwerber durch "zwingende Gründe" an der Selbstnutzung gehindert war.
In einem nun veröffentlichten Urteil (Az.: 3 K 420/20 Erb) bekräftigt das Finanzgericht Münster seine verfassungsrechtlichen Bedenken an der Steuerbefreiung als solcher. Es sei zweifelhaft, ob die Privilegierung von Familienheimen gegenüber anderen Vermögenswerten (z. Bsp.: Bankvermögen) mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar sei. Deswegen sei der Begriff der "zwingenden Gründe" eng auszulegen. Nur wenn der Erwerber nirgendwo (!) einen eigenen Haushalt führen kann, sei ein zwingender Grund gegeben.
Im entschiedenen Fall litt die überlebende Ehefrau unter einer schweren psychischen Erkrankung. Sie zog auf ausdrücklichen ärztlichen Rat in eine neu erworbene Eigentumswohnung um. Das hat das Gericht nicht als ausreichende Rechtfertigung angesehen, weil die Erwerberin noch einen Haushalt führen konnte.
In seiner aktuellen Entscheidung bekräftigt das Finanzgericht Münster die sehr restriktive Linie der Rechtsprechung. Als Rechtfertigungsgründe für den Erhalt der Steuerbefreiung bleiben damit im praktischen Ergebnis regelmäßig nur der Tod oder die Pflegebedürftigkeit des Erwerbers übrig. Schwere Erkrankungen unterhalb der Schwelle der Pflegebedürftigkeit bieten selbst dann keine von den Finanzgerichten anerkannte Ausnahme, wenn der ärztliche Rat zum Auszug eindeutig und klar dokumentiert wird.
Sascha Unger, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Erbrecht, Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)