Gewerberaum-Miete und Pacht in Zeiten der Covid-19-Pandemie: Update
Mit der staatlich verordneten Schließung von Geschäftsräumen wird die Nutzung des Mietgegenstands zum vertraglich vereinbarten Nutzungszweck regelmäßig vollständig ausgeschlossen. Im Kern geht es in all jenen Fällen um die Frage, ob und inwieweit in der staatlich verordneten Schließung ein zur Minderung der Miete berechtigender Mangel der Mietsache, § 536 BGB und/oder ein Fall der Unmöglichkeit der Leistung, § 275 BGB und/oder ein Fall des Wegfalls bzw. der Anpassung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, liegt.
In den bis zum zweiten Lockdown erstinstanzlich entschiedenen Fällen wurde auf Grundlage des seit 01.04.2020 in Kraft getretenen Art. 240, § 2 EGBGB (Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht) durchweg die Auffassung vertreten, in der Schließungsverfügung liege kein zur Minderung der Miete berechtigender Mangel und die Regelungen der Unmöglichkeit seien durch den Vorrang des mietrechtlichen Gewährleistungsrechts verdrängt. Unklar war, ob die Regelungen zum Wegfall bzw. zur Anpassung der Geschäftsgrundlage einschlägig sind und – falls ja – ob deren Tatbestandsvoraussetzungen durch die Schließungsverfügung gegeben sind und – falls ja – wie sich die Rechtsfolge darstellt; konkret: ob die Miete vollständig wegfällt oder ob und wie sie anzupassen ist (vgl. etwa LG Stuttgart, Urteil vom 19.11.2020 - 11 O 215/20; LG Zweibrücken, Urteil vom 11.11.2020 - HKO 17/20; LG Frankfurt/Main, Urteil vom 02.10.2020 - 2-15 O 23/20; LG München II, Urteil vom 22.09.2020 - 13 O 1657/20; LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020 - 5 O 66/20, aA: etwa LG München I, Urteil vom 22.09.2020, 3 O 4495/20 – Fall der Minderung; alles soweit ersichtlich nicht rechtskräftig). WIR HABEN BERICHTET
Der Gesetzgeber hat hierauf aktuell insoweit reagiert, als er im Zuge des zweiten Lockdowns mit Art. 240, § 7 EGBGB (Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrechts sowie im Miet- und Pachtrecht vom 22.12.2020, BGBl I S. 3328 – in Kraft getreten am 31.12.2020) gesetzlich nunmehr widerleglich vermutet, dass Betriebsschließungen oder andere Nutzungseinschränkungen eine schwerwiegende Veränderung der Vertragsgrundlagen im Sinne des § 313 BGB darstellen. Die Vorschrift geht letztlich zurück auf den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin vom 13.12.2020 (Ziff. 15) und soll insbesondere dem Zweck dienen, die Rechte der Gewerbemieter zu stärken und Verhandlungen zwischen Gewerbemietern und -vermietern zu vereinfachen. D.h. die Frage, ob und inwieweit konkret eine Mietreduzierung infolge der Schließung angemessen ist, bleibt letztlich offen und bemisst sich stets auf Basis einer umfassenden Abwägung aller Umstände des konkreten Einzelfalles. Ziel soll, so die Vorstellung, ein „optimaler Interessenausgleich bei einer möglichst geringen Herabsetzung oder Anhebung einer Verbindlichkeit“ sein. Dabei geht es insbesondere um die wechselseitige Zumutbarkeit einer etwaigen Miet- oder Pachtreduzierung, um die Frage noch vorhandener Restnutzungsmöglichkeiten (z.B. als Lagerfläche oder für das click & collect Geschäft), realisierbarer staatlichen Hilfen sowie ersparter oder reduzierbarer Aufwendungen.
Einer generalisierenden Betrachtung sind die Regelungen entzogen. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalles. Ob das zu einer Vereinfachung beiträgt, ist sicher fraglich. Prozessual hilft der Gesetzgeber jedenfalls durch Beschleunigung. Nach § 44 EGZPO sollen Gewerbemiet- und -pachtsachen vorrangig und beschleunigt behandelt werden, früher erster Termin soll spätestens ein Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden.
Rudolf Krechel, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Verwaltungsfachwirt
Melanie Schulze, Rechtsanwältin