Handel mit Großbritannien und Brexit
Täglich gibt es neue Meldungen zum Brexit. Obwohl nun das britische Unterhaus ein Gesetz gebilligt hat, das die Regierung zu einem weiteren Brexit-Aufschub verpflichten soll, drohen weiterhin auch andere Szenarien. Weil EU-Unternehmen sich nun dringend auch auf einen No-Deal-Brexit vorbereiten müssen, hat die EU-Kommission eine Brexit-Informationskampagne im Bereich Umsatzsteuer/Zoll gestartet (vgl.).
So wird im Falle eines ungeordneten Brexit (ohne ein Austrittsabkommen) Großbritannien im Bereich der Zölle ab 13. April 2019 als Nicht-EU Land behandelt werden. Dies betrifft vor allem Unternehmen, die Waren oder Dienstleistungen aus Großbritannien einkaufen oder nach Großbritannien verkaufen oder es als Transitland nutzen. Ohne Austrittsabkommen, in dem eine Übergangsphase vorgesehen ist, gelten mit dem Austritt für die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Großbritannien die allgemeinen Bestimmungen der WTO (Welthandelsorganisation). Dies bedeutet unter anderem, dass für Waren, die aus dem Vereinigten Königreich in die EU eingeführt werden, Zölle gelten werden, Zollformalitäten erfüllt und Zollanmeldungen eingereicht werden müssen, wegen eventueller Verbote oder Beschränkungen gegebenenfalls Einfuhr- oder Ausfuhrlizenzen erforderlich werden, wobei seinerzeit unter EU-Regime von Großbritannien erteilte Lizenzen oder genehmigte Zolllager ihre Gültigkeit verlieren, Zollbehörden Sicherheiten für potenzielle oder bestehende Zollschulden verlangen können, bei der Einfuhr von Waren in die EU Umsatzsteuer erhoben wird und sich Vorschriften für grenzüberschreitende Umsatzsteuererstattungen ändern werden.
Die EU-Kommission hat für betroffene Unternehmen daher eine Checkliste zur Verfügung gestellt, um prüfen zu können, welche praktischen Schritte unternommen werden sollten.
Änderung der Kalkulationsgrundlagen
Für Handelsverträge mit Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich kann durch die Veränderung der steuerlichen und zollrechtlichen Rechtslage die Kalkulationsgrundlage für die Preisermittlung ins Wanken geraten. Dies ist besonders dann problematisch, wenn die Verträge ansonsten eine langfristige Bindung ohne Anpassungsmechanismen vorsehen.
Ist auf den Vertrag deutsches Recht anwendbar, z.B. weil die Parteien vertraglich dessen Geltung vereinbart haben oder weil mangels Rechtswahl gem. Art. 4, 2 Rom-I-VO deutsches Recht zur Anwendung kommt, kann möglicherweise eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB (Wegfall der Geschäftsgrundlage) verlangt werden. Denkbar ist auch, dass sich in den Verträgen sog. „hardship clauses“ finden, die die Möglichkeit des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in einer der deutschen Vorschrift entsprechenden Weise regeln. Hier sollten Unternehmen ihre vertraglichen Vereinbarungen prüfen und sich mit dem im Vereinigten Königreich ansässigen Vertragspartner in Verbindung setzen, um eine Vertragsanpassung zu verhandeln.
Carola de Decker, Rechtsanwältin, M.I.C.L. (UC Berkeley/Davis)