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Persönliche Haftung und D&O-Versicherung in der Krise: Was das Urteil des OLG Frankfurt vom 5. März 2025 (Az.: 7 U 134/23) für GmbH-Geschäftsführer bedeutet

Was passiert eigentlich, wenn es meinem Unternehmen wirtschaftlich schlecht geht? Bin ich dann persönlich haftbar? Und hilft meine D&O-Versicherung in so einem Fall wirklich?

Diese Fragen stellen sich viele Geschäftsführer erst dann, wenn es bereits brenzlig wird. Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt bringt Licht ins Dunkel – und sollte von jedem GmbH-Geschäftsführer ernst genommen werden.

  1. Was ist eigentlich eine D&O-Versicherung – und was bringt sie mir als Geschäftsführer?

Die sogenannte D&O-Versicherung (Directors and Officers) ist eine Berufshaftpflichtversicherung für Geschäftsführer und Vorstände. Sie schützt Sie persönlich vor finanziellen Schäden, wenn Ihnen ein Fehler in Ihrer Geschäftsführung vorgeworfen wird – zum Beispiel durch Gesellschafter, Insolvenzverwalter oder Gläubiger. Die Versicherung übernimmt dabei in der Regel:

- Schadenersatzzahlungen an Dritte

- Anwalts- und Gerichtskosten

Aber wichtig: Die D&O zahlt nicht in jedem Fall. Wenn Sie „Pflichten grob verletzen“ – insbesondere sogenannte Kardinalpflichten –, kann die Versicherung die Zahlung verweigern.

  1. Was sind Kardinalpflichten – und was war im Fall vor dem OLG Frankfurt passiert?

Kardinalpflichten sind Pflichten, die so grundlegend sind, dass ohne sie eine ordentliche Geschäftsführung gar nicht möglich ist. Sie sind das „Herzstück“ Ihrer Verantwortung. Eine dieser Kardinalpflichten ist es, die finanzielle Lage der GmbH im Blick zu behalten – und bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung rechtzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen.

Im Fall vor dem OLG Frankfurt (Urteil vom 5.3.2025, Az. 7 U 134/23) hatte ein Geschäftsführer genau das nicht getan. Obwohl das Unternehmen längst nicht mehr zahlungsfähig war, ließ er Zahlungen weiter laufen – ohne die Insolvenz zu beantragen. Das Gericht sah darin einen groben Pflichtverstoß – eine Verletzung der Kardinalpflicht. Die Folge: Die D&O-Versicherung muss in diesem Fall nicht leisten.

  1. Was bedeutet das konkret für mich als Geschäftsführer?

Wenn Sie in einer wirtschaftlichen Krise…

- weiter Rechnungen oder andere Verbindlichkeiten bezahlen, obwohl Ihre GmbH insolvenzreif ist, und

- keinen Insolvenzantrag stellen, obwohl es geboten wäre,

… riskieren Sie nicht nur eine persönliche Haftung, sondern verlieren auch den Schutz durch Ihre D&O-Versicherung.

Das heißt: Im schlimmsten Fall haften Sie mit Ihrem Privatvermögen – und ohne Hilfe der Versicherung.

  1. Häufige Fragen, die sich Geschäftsführer jetzt stellen

    Ab wann muss ich einen Insolvenzantrag stellen?

Sobald eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt.

Zahlungsunfähigkeit liegt – vereinfacht gesagt – dann vor, wenn die GmbH nicht mehr alle fälligen Verbindlichkeiten fristgerecht bezahlen kann und dieser Zustand voraussichtlich auch für drei Wochen andauern wird. Die Rechtsprechung akzeptiert gewisse Ausnahmen in betragsmäßiger und zeitlicher Hinsicht. Ob diese im Einzelfall einschlägig sind, sollten Sie durch Fachleute beurteilen lassen. Liegt Zahlungsunfähigkeit vor, müssen Sie unverzüglich, spätestens nach Ablauf von drei Wochen Insolvenzantrag stellen, wenn Sie die Zahlungsunfähigkeit nicht vorher beseitigen.

Überschuldung liegt vor, wenn der Wert der Vermögensgegenstände der Gesellschaft den Betrag der Verbindlichkeiten nichtmehr deckt, wobei die Gegenstände zu sogenannten Liquidationswerten zu bewerten sind, also die Annahme zugrunde zu legen ist, dass die einzelnen Gegenstände verkauft werden. Beiden Verbindlichkeiten sind auch solche zu berücksichtigen, die erst im Zuge einer Liquidation anfallen werden, wie zum Beispiel Lohn-, Miet- und Leasingzahlungen, die nach einer Kündigung der entsprechenden Verträge bis zur Beendigung der entsprechenden Verträge noch weiter zu zahlen sind. Eine Überschuldung liegt nicht vor, wenn die Gesellschaft über eine sogenannte positive Fortbestehensprognose verfügt, also für mindestens zwölf Monate in der Lage sein wird, ihre jeweils fällig werdenden Verbindlichkeiten fristgerecht zu bezahlen. Das Vorliegen einer positiven Fortbestehensprognose muss im Streitfall vom Geschäftsführer bewiesen werden. Liegt Überschuldung vor, müssen Sie unverzüglich, spätestens nach Ablauf von sechs Wochen Insolvenzantrag stellen, wenn Sie die Überschuldung nicht vorher beseitigen.

Was genau prüft die D&O-Versicherung im Schadensfall?

Sie schaut, ob Sie in der Unternehmenskrise Ihre Pflichten als Geschäftsführer erfüllt haben, insbesondere die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft laufend überprüft und rechtzeitig Insolvenzantrag gestellt haben. Bei groben Fehlern kann sie die Zahlung verweigern.

Muss ich mich jetzt vor jeder Entscheidung absichern?

Nicht jede Entscheidung muss perfekt sein – aber Sie sollten in Krisensituationen besonders vorsichtig und dokumentiert handeln. Und: Holen Sie sich Rat, bevor es zu spät ist.

  1. Konkrete Tipps, um Haftungsrisiken zu vermeiden

    Prüfen Sie laufend die Liquidität der Gesellschaft – halten Sie eine fachgerechte Liquiditätsplanung für 24 Monate vor, die regelmäßig aktualisiert wird.  

    Sprechen Sie Krisen frühzeitig offen an – intern gegenüber den Gesellschaftern und Aufsichtsgremien wie extern gegenüber Beratern. Wegsehen hilft nicht.  

    Ziehen Sie rechtzeitig Fachleute hinzu – aus unserer Erfahrung können wir sagen, dass die meisten Fehler in der Krise aus Unkenntnis über die besonderen rechtlichen Anforderungen in dieser Situation gemacht werden.

    Stellen Sie den Insolvenzantrag nicht zu spät – sonst haften Sie persönlich.  

    Überprüfen Sie Ihre D&O-Police – was ist versichert, was nicht? Wo gibt es Ausschlüsse?

    Fazit:

Das Urteil des OLG Frankfurt zeigt: Wenn es wirtschaftlich eng wird, müssen Sie als Geschäftsführer besonders wachsam sein. Eine D&O-Versicherung ist wichtig – schützt Sie aber nicht in jedem Fall. Achten Sie daher auf Ihre gesetzlichen Pflichten – insbesondere in der Krise – und holen Sie sich frühzeitig Unterstützung.

Sie haben Fragen zur Haftung oder wollen Ihre D&O-Versicherung überprüfen lassen?

Sprechen Sie uns an – wir unterstützen Sie verständlich und praxisnah. 

Rechtsanwalt Dr. Arne Löser, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Zertifizierter Restrukturierungs- und Sanierungsexperte (RWS), Geschäftsführender Partner