Chancen und Grenzen der Tätigkeit von (Corporate) Influencern
Der Bundesgerichtshof hat mit drei am 9. September 2021 bekanntgemachten Entscheidungen die Grundlinien stärker konturiert, innerhalb derer die Tätigkeit von Influencern wettbewerbsrechtlich zulässig ist (I ZR 90/20, I ZR 125/20, I ZR 126/20). Eine dieser Entscheidungen erging in einem Rechtsstreit, an dem die als Influencerin tätige Ehegattin eines Fußball-Nationalspielers beteiligt war. Im Ergebnis hat der Bundesgerichtshof dem bis heute eher „unbedarften“ Umgang von Influencern mit „Schleichwerbung“ ein Ende bereitet.
Diese Entscheidungen sind im Kontext des am 10. August 2021 vom Bundestag verabschiedeten und (erst) am 28. Mai 2022 in Kraft tretenden Gesetzes zur „Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberechts“ zu sehen. Dieses Gesetz setzt einen von der EU gesehenen Änderungsbedarf im Rahmen des „New Deal for Consumers“ (EU-Richtlinie (EU) 2019/2161) um. Dieses Gesetz fasst den § 5 a Absatz 4 des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) neu. Der Gesetzgeber versucht damit, die wettbewerbsrechtlichen Grenzen des Influencer Marketing klarer abzustecken.
Influencer sind Personen, die auf sozialen Netzwerken wie Instagram, YouTube und TikTok unter eigenem „Account“ aktiv sind. Sie möchten ihre starke Präsenz, ihre Vernetzung und ihr Ansehen nutzen, um die zufälligen und die dauerhaften „Follower“ ihres Medienauftritts in ihrer Meinungsbildung zu beeinflussen. Influencer stellen teilweise ihre eigenen Dienstleistungen und Produkte dar – etwa persönlich erbrachte Fitnesstrainings, „coachings“ oder Linien von Kosmetikprodukten. Häufig nehmen Influencer auch dezidiert Stellung zu den Vor- und Nachteilen bestimmter Produkte oder Dienstleistungen anderer Unternehmen.
Die wirtschaftlichen Vorteile der Tätigkeit als Influencer liegen beim freischaffenden, für seine eigenen Produkte/Dienstleistungen aktiv werdenden Influencer auf der Hand. Wenn Influencer den eigenen Auftritt geschickt ästhetisch gestalten, dabei ein gutes Gespür für Trends und Bedürfnisse der eigenen Follower zeigen und den Auftritt konsequent mit Beiträgen beliefern, können sie die „Reichweite“ des Auftritts vertiefen und eine den Produktabsatz fördernde Meinungsführerschaft unter den Followern entwickeln.
Eine Sonderform des Influencer Marketing stellen Corporate Influencer dar. Sie sind regelmäßig Angestellte eines Wirtschaftsunternehmens. Ihre „Postings“ und Medienpräsenz entwickeln sich meist eher zufällig und aus persönlichem Interesse an den Produkten des Arbeitgebers. Sie nutzen deshalb meist ihr privates und dem Direktionsrecht des Arbeitgebers grundsätzlich nicht unterworfenes Account. Dies stellt eine Herausforderung für den Arbeitgeber dar. Zwar hat der Arbeitgeber ein Interesse daran, dass Social-Media-affine Mitarbeiter „von selbst und freiwillig“ über gelungene Medienauftritte zum Markenbotschafter werden. Wegen des fehlenden Direktionsrechts sollte der Arbeitgeber aber wenigstens unverbindliche Unternehmensrichtlinien für solche Tätigkeiten haben. Gerade wenn der Arbeitgeber Postings seiner Mitarbeiter auch nur durch Bereitstellen von Produkten unterstützt, müssen diese Postings unter Umständen als Werbung gekennzeichnet werden.
Anders als freischaffende Influencer ziehen Corporate Influencer regelmäßig keinen direkten wirtschaftlichen Vorteil aus ihren Postings. Dafür können Corporate Influencer durch ihre Postings Kompetenz und Engagement gegenüber Kollegen und Vorgesetzten signalisieren. Dies kann einen Vorsprung im internen Beförderungswettbewerb verschaffen. Kunden und interessierten Dritten gegenüber können Corporate Influencer zwar nicht glaubhaft vermitteln, dass die Postings in wirtschaftlicher Unabhängigkeit vom Arbeitgeber entstehen. Dafür können sie glaubhaft eine höhere „Intimität“ als der Freischaffende vermitteln: Sie verfügen häufig über direkten Zugang zum „Produkt Marketing“ und womöglich auch zu „Forschung & Entwicklung“. Jedenfalls kann der „Corporate Influencer“ die Unternehmenskultur aus erster Hand darstellen. Vor allem das Rekrutieren von Personal kann dies erleichtern.
Aus rechtlicher Sicht entscheidend ist die Erkenntnis, dass das Influencer Marketing nicht im rechtsfreien Raum stattfindet und zwar gleich, ob die Influencer ihr privates Account verwenden oder nicht. Gerade wegen wettbewerbsrechtlicher Transparenzanforderungen müssen Influencer Klarheit darüber schaffen, wann sie nur aus persönlich-privatem Interesse die eigene Bekanntheit durch Nennung fremder Produkte zu steigern beabsichtigen oder ob es sich um ein Posting in werblicher Absicht („Anzeige“) handelt.
Der Bundesgerichtshof hat nun bekräftigt, dass Influencer geschäftliche Verbindungen mit einem Produkthersteller immer deutlich erwähnen müssen, soweit sich die geschäftliche Verbindung nicht schon unmittelbar aus den Umständen ergibt. Eine geschäftliche Verbindung besteht regelmäßig, wenn Influencer vom Produkthersteller ein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung für die Postings bekommen. Wenn eine solche geschäftliche Verbindung nicht besteht, stellt sich die die Frage, ob der Beitrag „nach dem Gesamteindruck übertrieben werblich ist“, also eine kritische Distanz zum Produkt/Dienstleistung vermissen lässt. Relevant ist auch, ob Influencer direkte Links, etwa durch „Tagging“, zu den Seiten der Produkthersteller bereitstellen. Der am 28. Mai 2022 in Kraft tretende § 5 a Absatz 4 UWG vermutet widerleglich, dass die zu Gunsten eines fremden Unternehmens „postenden“ Influencer eine Gegenleistung bekommen oder sich versprechen lassen und deshalb kommerziell motiviert sind. Widerlegen Influencer diese Vermutung, indem sie glaubhaft machen, dass sie eine Gegenleistung nicht erhalten und nicht versprochen bekommen haben, dann liegt eine kommerzielle, den Markteilnehmern gegenüber offenzulegende werbliche Motivation nicht vor.
Roland C. Kemper LL.M., MSc.