Pflichtteil: Erblasser kann den Zugang zu staatlichen Gerichten nicht entziehen
Erbstreitigkeiten vor staatlichen Gerichten dauern vergleichsweise lang. Oftmals steht der volle Instanzenzug bis zum Bundesgerichtshof zur Verfügung. Darüber hinaus sind die mündlichen Verhandlungen vor den staatlichen Gerichten in der Regel öffentlich, so dass jedermann erfahren kann, worüber und auf welche Art und Weise gestritten wird. Das können gute Gründe sein, im Rahmen der Nachfolgegestaltung etwaige spätere Erbstreitigkeiten vorsorglich von vornherein einem Schiedsgericht zuzuweisen. Es gibt in Deutschland gleich mehrere weithin anerkannte Institutionen, die nichtöffentliche Schiedsverfahren für Erbsachen anbieten. In der Regel finden Erbstreitigkeiten in solchen Verfahren einen vergleichsweise zügigen Abschluss durch einen Schiedsspruch, der grundsätzlich nicht mehr angegriffen werden kann. Das deutsche Zivilprozessrecht eröffnet in diesem Zusammenhang dem künftigen Erblasser die Möglichkeit, in seinem Testament die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts zu bestimmen (§ 1066 ZPO). Die Besonderheit dieser Gestaltungsmöglichkeit liegt darin, dass den künftigen Erben und Vermächtnisnehmern dadurch ohne deren Mitwirkung – aus guten Gründen – insoweit der Zugang zu den staatlichen Gerichten entzogen wird.
In der Vergangenheit war umstritten, ob der Erblasser durch eine solche testamentarische Anordnung auch den von ihm enterbten Pflichtteilsberechtigten auf ein Schiedsgericht verweisen kann. Der Bundesgerichtshof hat in einer soeben veröffentlichen Grundsatzentscheidung (Az. I ZB 50/16) geklärt, dass dies für reine Pflichtteilsansprüche nicht möglich ist. Dem Erblasser seien insoweit durch das zwingende gesetzliche Pflichtteilsrecht Grenzen seiner Verfügungsfreiheit gesetzt.
Diese Entscheidung sollte nicht dahingehend missverstanden werden, dass die testamentarische Anordnung eines Schiedsgerichts damit für die Praxis als nützliches Instrument ausscheidet. Das hieße, „das Kind mit dem Bade auszuschütten“. Es bedarf nicht mehr und nicht weniger als einer präzisen, auf die übrigen Komponenten der Gesamtgestaltung sauber abgestimmten Formulierung der testamentarischen Schiedsklausel. Darauf weist der Bundesgerichtshof in den Entscheidungsgründen zu Recht selbst hin.
Sascha Unger, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Erbrecht, Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)