Urlaubsabgeltung im Prozessvergleich
„Der Beklagte erteilt dem Kläger eine ordnungsgemäße Abrechnung. Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind alle gegenseitigen Ansprüche zwischen den Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und solche Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, erledigt.“
Solche und ähnliche Formulierungen finden sich häufig in arbeitsgerichtlichen Vergleichen. Auch wenn sie den ersten Eindruck von Eindeutigkeit erwecken, stellen sich im Einzelfall doch Fragen, was die Phrase „alle gegenseitigen Ansprüche“ erfassen sollte und konnte.
So klagte im vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein zu entscheidenden Fall (LAG Schleswig-Holstein Urt. v. 9.6.2021 – 3 Sa 82/21) ein ehemaliger Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber trotz Abschluss eines solchen Vergleiches im vorangegangenen Kündigungsschutzprozess auf (weitere) Zahlung von Urlaubsabgeltung.
Die Arbeitsgerichte wiesen die Klage jedoch in beiden Instanzen zurück. Ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung sei durch den abgeschlossenen Vergleich erloschen.
Der Vergleich war nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit nach Entstehen des Urlaubsabgeltungsanspruches geschlossen worden und führte die vom Arbeitgeber noch zu erfüllender Zahlungsansprüche als individuelle Positionen auf. Das LAG legte den abgeschlossenen Prozessvergleich zwischen den Parteien daher so aus, dass sonstige, nicht aufgeführte Ansprüche wie Urlaubsabgeltung mit seiner Erfüllung entfallen sollten. Dabei betonte das Gericht, dass sich eine „ordnungsgemäße Abrechnung“ zweifelsfrei auf die reguläre Gehaltszahlung bezieht, von dem eine Urlaubsabgeltung gerade kein Bestandteil sei.
Unter diesen Umständen konnte die Entscheidung des LAG nur wenig überraschen: § 7 Abs. 4 BUrlG stellt auf einen Abgeltungsanspruch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab. Ein so zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bereits entstandener Anspruch musste damit von der Formulierung „aller Ansprüche“ erfasst sein.
Die Entscheidung zeigt aber auch, dass die Auslegung eines Vergleichs stark von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängen kann. So kann insbesondere die Auslegung eines Vergleichs, der noch vor Ende des Arbeitsverhältnisses abgeschlossen wird, gänzlich anders ausfallen als im entschiedenen Fall.
Trotz einer weiten Auslegungspraxis durch die Gerichte empfiehlt sich daher stets eine möglichst klare und eindeutige Formulierung der vergleichsweisen Regelungen.
Felix Nietsch LL.M. (Köln/Paris I), Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht
Janina Barg, Rechtsreferendarin