Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für „nur“ überschuldete Gesellschaften bis 31. März 2021?
Die Insolvenzantragspflicht ist derzeit befristet bis zum 30.09.2020 ausgesetzt, sofern die Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft) auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Bei zahlungsunfähigen Gesellschaften ist weitere Voraussetzung für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, dass Aussicht besteht, die Zahlungsunfähigkeit bis zum 30.09.2020, nach teilweise vertretener Auffassung binnen maximal drei Monaten zu beseitigen.
Bundesjustizministern Lambrecht bestätigte am Freitag gegenüber der BILD-Zeitung Pläne, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 31.03.2021 zu verlängern. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll allerdings ausschließlich für solche Gesellschaften verlängert werden, die „nur“ überschuldet, aber nicht zahlungsunfähig sind. Der Fraktionsvize der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Frei signalisierte, den Plan zumindest bis zum Jahresende 2020 mittragen zu wollen.
Zahlungsunfähig ist eine Gesellschaft nach der Gesetzesdefinition bereits dann, wenn sie nicht mehr in der Lage ist, sämtliche ihrer jeweils fälligen Verbindlichkeiten zu bezahlen. Die Rechtsprechung akzeptiert allerdings gewisse Geringfügigkeitsgrenzen: (1) Liegt die Unterdeckung der Zahlungsmittel im Verhältnis zu den fälligen Verbindlichkeiten bei weniger als 10% (Beispiel: Die Gesellschaft hat 100.000 EUR fällige Verbindlichkeiten, aber nur 95.000 EUR an Zahlungsmitteln zur Verfügung, die Unterdeckung liegt somit bei 5%), dann wird vermutet, dass nur eine geringfügige Liquiditätslücke vorliegt und die Gesellschaft zahlungsfähig ist, es sei denn, es ist absehbar, dass die Unterdeckung demnächst 10% oder mehr betragen wird. (2) Beträgt die Unterdeckung 10% oder mehr, aber kann sie voraussichtlich binnen der nächsten drei Wochen (weitgehend, Einzelheiten sind streitig) geschlossen werden, liegt nur eine sogenannte Zahlungsstockung vor. Ausnahmsweise kann es auch bei einer Unterdeckung von 10% oder mehr an einer Zahlungsunfähigkeit fehlen, wenn mit an Sichheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden kann, dass die Unterdeckung demnächst geschlossen werden wird und den Gläubigern der Gesellschaft ein Zuwarten zuzumuten ist.
Bei zahlungsunfähigen Gesellschaften ist demnach zu erwarten, dass sie spätestens am 01.10.2020 wieder insolvenzantragspflichtig werden, wenn sie es nicht bereits sind, weil die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht (mehr) vorliegen. Der Insolvenzantrag ist ohne schuldhaftes Zögern, spätestens nach Ablauf von drei Wochen zu stellen, wobei die Drei-Wochen-Höchstfrist nur ausgeschöpft werden darf, wenn begründete Aussicht besteht, die Zahlungsunfähigkeit binnen der Drei-Wochen-Höchstfrist zu beseitigen.
Dr. Arne Löser, Fachanwalt für Insolvenzrecht sowie Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Koblenz