Nicht immer ist das Stiefkind Stiefkind
Zumindest sprichwörtlich und in Märchen hat es das Stiefkind nicht leicht: Stiefvater oder Stiefmutter lassen es meist links liegen und bevorzugen die eigenen Kinder.
Schauen wir uns vor diesem Hintergrund die erbrechtliche und die erbschaftsteuerliche Situation an: Bringen Eheleute beispielsweise je ein eigenes Kind mit in die Ehe und errichten sie kein anderslautendes Testament und leben sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft oder haben sie Gütertrennung vereinbart, so sind Miterben zu je ½ im Erststerbensfall eines Ehegatten jeweils sein eigenes Kind und der Ehegatte. Das Stiefkind des Verstorbenen erbt nichts; es hat auch keine Pflichtteilsansprüche. Zur Meidung von Missverständnissen: Das Stiefkind testamentarisch zu seinem Erben oder zum Miterben einzusetzen, steht natürlich jedem frei. Eheleute, die Letzteres möchten, sehen sich dann oft mit einem weiteren Problem konfrontiert: Hat denn das Stiefkind, also das nur mit dem Ehegatten verwandte Kind, nicht auch erbschaftsteuerlich die ungünstigste Steuerklasse, nämlich die Steuerklasse III? Muss der Stiefvater oder die Stiefmutter sich vor diesem Hintergrund sogar mit dem Gedanken befassen, sein Stiefkind zu adoptieren, zumindest wenn dieses nicht unerhebliche Vermögen erben oder geschenkt erhalten soll? Zumindest unter erbschaftsteuerlichen Gesichtspunkten ist diese Sorge unbegründet: Bei der Erbschaftsteuer (also auch bei lebzeitigen Schenkungen) sind Kinder und Stiefkinder absolut gleichgestellt: Beide haben einen allgemeinen Freibetrag von 400.000 € je Elternteil, der zudem alle zehn Jahre voll genutzt werden kann. Erst bei Schenkungen oder Erwerben, die diesen Freibetrag übersteigen, beginnt der Steuersatz, und zwar mit moderaten 7 %. Diese im Grunde beruhigende Erkenntnis sollte jedoch für Eltern kein Anlass sein, ihr Testament selbst zu formulieren. Das geht erfahrungsgemäß fast immer daneben. Auch Internet- Formulare helfen da nicht. Jeder Fall ist anders und speziell in Patchwork-Familien sind die sich in diesen Fällen immer stellenden Fragen im Zusammenhang mit dem Erb- und insbesondere auch Pflichtteilsrecht oft höchst komplex. Fachkundige Beratung tut daher gerade in diesen Fällen not!
Dr. Hans Vogt, Rechtsanwalt, Steuerberater