Anspruch des Arbeitnehmers auf Einsicht in die Personalakte und Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat in seiner Entscheidung vom 20.12.2018, Az. 17 Sa 11/18, sehr aufschlussreiche Feststellungen zum Anspruch des Arbeitnehmers auf Einsicht in seine Personalakte sowie zum Auskunftsrecht nach Art. 15 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) getroffen. Bei der beklagten Arbeitgeberin gilt die Konzernrichtlinie zum Hinweisgebersystem „Business Practices Office" (BPO). Das BPO ist zuständig für die Aufklärung vertragswidriger Sachverhalte und deren Sanktionen. Gegen den klagenden Arbeitnehmer war 2014 ein BPO-Verfahren eingeleitet worden. Der Kläger begehrte u.a. Einsicht in die über ihn geführte BPO-Akte und Auskunft über die von der Arbeitgeberin verarbeiteten Leistungs- und Verhaltensdaten sowie die Überlassung einer Kopie dieser Leistungs- und Verhaltensdaten.
Der Arbeitnehmer war mit diesen Ansprüchen vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg erfolgreich:
1. Nach Art. 83 Abs. 1 S. 1 BetrVG hat der Arbeitnehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis das Recht, in die über ihn geführten Personalakten Einsicht zu nehmen. Auch Sonder- oder Nebenakten, gleichgültig wo sie geführt werden, sind Bestandteile der Personalakte. Daher kam es nicht darauf an, ob der beanstandete Vorgang in die als Personalakte bezeichnete Sammlung oder in die BPO-Akte aufgenommen wurde. Die Arbeitgeberin konnte die Einsicht in die BPO-Akte auch nicht mit dem Hinweis auf den Schutz berechtigter Interessen Dritter verweigern. Die Teile der Mitteilungen eines Hinweisgebers, dem Anonymität zugesichert worden ist, sind insoweit nicht zur Personalakte und auch nicht zu einer BPO-Akte zu nehmen, bzw. durch Schwärzung oder eine sonstige technische Vorkehrung unkenntlich zu machen, als dass weder die Person des Hinweisgebers erkennbar ist, noch dass Rückschlüsse auf die Person möglich sind. Unterlässt der Arbeitgeber diese Anonymisierung, kann er dem betroffenen Arbeitnehmer nicht unter Hinweis auf die von ihm unterlassene Anonymisierung die Einsicht in die zur Personalakte gehörende Aktensammlung verweigern.
2. Der Arbeitnehmer hat auch einen Anspruch nach Art. 15 DSGVO auf Erteilung der geltend gemachten Auskünfte und auf Herausgabe einer Kopie der Daten. Das Vorliegen eines Geheimhaltungsgrundes auf Seiten der Arbeitgeberin führt nicht zwangsläufig zu dem Recht, die geforderte Auskunft zu verweigern. Das Landesarbeitsgericht betont: „Nur „soweit" schützenswerte Interessen Dritter bestehen würden und diese in der gebotenen Einzelfallabwägung gegenüber dem Auskunftsanspruch als gewichtiger einzustufen wären, wäre eine Einschränkung des Auskunftsanspruchs anzunehmen.“ Es hat also eine Abwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse einerseits und dem Auskunftsinteresse andererseits zu erfolgen. Dazu hat die Arbeitgeberin allerdings nicht genug vorgetragen.
Fazit: Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg ist nicht allein deshalb beachtenswert, weil sie sich u.a. zur DSGVO äußert. Es wird vielmehr deutlich, dass das Auskunftsrecht nach DSGVO vom Gericht sehr weit ausgelegt wird. Die Arbeitgeberin wurde dazu verurteilt, die vorliegenden Informationen umfassend offenzulegen, und zwar einschließlich der Erkenntnisse aus internen Ermittlungen.
Thomas Haschert Mag. Iur., Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht, Datenschutzbeauftragter der Kanzlei, Datenschutzauditor