Hypothetische Einwilligung zur Lebendorganspende

In zwei ähnlich gelagerten Verfahren hat sich der BGH jüngst unter anderem mit der Frage der hypothetischen Einwilligung zu einer Lebendorganspende befasst, wenn zuvor eine inhaltlich unzureichende Patientenaufklärung stattgefunden hat.

Der Bundesgerichtshof hat sich klar dahin positioniert, dass der Einwand der hypothetischen Einwilligung im Falle von Lebendorganspenden grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Nach Meinung des Bundesgerichtshofs sollen die vom Gesetzgeber bewusst streng formulierten Aufklärungsvorgaben des § 8 TPG den Spender davor bewahren, sich selbst einen größeren persönlichen Schaden zuzufügen. Da die Ablehnung der Zustimmung für den Spender - im Unterschied zum Heileingriff - nicht die Gefahr einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes bedeutet, sondern vielmehr die Möglichkeit, sein gesundes Organ zu behalten, kann für den Spender jedes Risiko von Bedeutung sein. Die Regelungen in § 8 TPG bezwecken also gewissermaßen „den Schutz des Spenders vor sich selbst".

Von Bedeutung ist nach Meinung des Bundesgerichtshofs in diesem Zusammenhang auch die verfahrensrechtliche Absicherung des Freiwilligkeitstestats durch die Einschaltung einer Gutachterkommission. Die von der Gutachterkommission zu treffende Entscheidung kann im Rahmen einer etwaigen Prüfung der hypothetischen Kausalität - so der BGH - praktisch nicht nachgeholt werden.

Fazit:

Die Behandlungsseite, die dem Spender ein Organ entnommen hat, ohne ihn zuvor hinreichend über die Chancen und Risiken der Spende aufzuklären, kann sich nicht darauf berufen, dass der Spender mit der Organentnahme auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung einverstanden gewesen wäre.

BGH Urteil vom 29.01.2019 (Az. VI ZR 495/16)

BGH Urteil vom 29.01.2019 (Az. VI ZR 318/17)

Walter Metternich, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Mediator