EU-Kommission zur Auftragswertberechnung: Planungsleistungen müssen zusammengerechnet werden!
Eine EU-weite Ausschreibung öffentlicher Aufträge ist nur bei großen Auftragsvolumina Pflicht. Der sog. Schwellenwert beträgt für Dienstleistungen derzeit 221.000,- Euro und ist nach den Vorgaben des § 3 Vergabeverordnung (VgV) zu ermitteln. Dabei sind grundsätzlich alle Lose eines Auftrags zu addieren.
Sonderregelung für Planungsleistungen
In Deutschland gilt für die Schätzung des Auftragswerts von Planungsleistungen die Sonderregel des § 3 Abs. 7 Satz 2 Vergabeverordnung (VgV): Lose über Planungsleistungen müssen bei der Ermittlung des relevanten Auftragsvolumens nur dann zusammengerechnet werden, wenn sie gleichartige Leistungen umfassen. Dabei wurden in der Vergabepraxis oft die unterschiedlichen Leistungsbilder der HOAI als nicht-gleichartige Leistungen angesehen. In der Folge wurden häufig die Schwellenwerte für eine EU-weite Ausschreibung nicht erreicht und damit weniger Planungsleistungen europaweit ausgeschrieben, als wenn die betreffenden Lose addiert worden wären.
EU-Kommission: Ausnahmeregelung verstößt gegen EU-Recht
Nach Ansicht der EU-Kommission müssen dagegen alle Planungsleistungen eines Bauwerks addiert werden; dies ergebe sich aus den EU-Vergaberichtlinien. Hierdurch ergeben sich deutlich höhere Auftragswerte. Mit Ihrer Auffassung hat die Kommission in der Vergangenheit auch schon teilweise Erfolg vor dem EuGH gehabt, wo sie eine Additionspflicht abschnittsweise beauftragter Leistungen durchsetzte (Rs. C-574/10, „Gemeinde Niedernhausen“). Nunmehr will die Kommission die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV komplett gestrichen wissen. Sie hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Es ist zu erwarten, dass final der EuGH entscheiden muss.
Künftig mehr EU-weite Planungsausschreibungen
Falls § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV fällt, würden künftig deutlich mehr Planungsleistungen europaweit ausgeschrieben, und zwar auch in Fällen, in denen die Bauleistungen als solche nicht den Schwellenwert erreichen. Von Seiten der Fachverbände wird eingewandt, dass dies gerade für kleine Büroeinheiten oder Berufseinsteiger die Beteiligung an Planungsausschreibungen erschwert.
Schon heute Realität bei geförderten Projekten
Häufig ist § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV schon heute nicht mehr anzuwenden, nämlich sobald ein Projekt aus EU (bspw. EFRE)-Mitteln gefördert wird. Die Förderbehörden sind dazu übergegangen, die Berechnung des Auftragswerts nach § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV bei EU-geförderten Projekten zu untersagen. Unabhängig vom Ausgang des Vertragsverletzungsverfahrens müssen sich Auftraggeber wie Bieter also auf die Durchführung von EU-Ausschreibungen einstellen.
Arno Gerlach, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und
Valentin Klumb B. A., Rechtsanwalt und Bachelor of Arts in Public Management & Governance