Neues zum Wirtschaftsstrafrecht – Betrug nach Untreue möglich
Im Strafrecht kann eine Deliktsverwirklichung grundsätzlich auch dann angenommen werden, wenn der im Gesetz beschriebene Straftatbestand dadurch verwirklicht wird, dass der Täter es unterlässt, den tatbestandlichen Erfolg abzuwenden. Dies unter der Voraussetzung, dass er zur Erfolgsabwendung rechtlich verpflichtet ist und das Unterlassen der Verwirklichung durch aktives Handeln entspricht (§ 13 Abs. 1 StGB). Für welche Fallgruppen eine solche Pflicht zur Vermeidung der Tatbestandsverwirklichung besteht, ist im Gesetz nicht erläutert und daher umstritten. Nach der Rechtsprechung ist ein Betrug durch Unterlassen aber jedenfalls dann möglich, wenn der Täter verpflichtet ist, unrichtigen oder unvollständigen Vorstellungen anderer über Tatsachen, welche zu einer Vermögensschädigung führen können, durch aktive Aufklärung entgegenzuwirken. Die entsprechende Rechtspflicht kann sich dabei aus dem Gesichtspunkt eines pflichtwidrigen Vorverhaltens ergeben. In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof mit einem Beschluss vom 8. März 2017 (Az.: 1 StR 466/16) eine für das Wirtschaftsstrafrecht wichtige Entscheidung getroffen. Dieser lag zu Grunde, dass Geschäftsführer verschiedener Fondgesellschaften zu deren Nachteil vermögensschädigende Handlungen vorgenommen hatten, wofür sie wegen Untreue (§ 266 StGB) verurteilt wurden. Dadurch wurde die Liquidität der Gesellschaften in erheblicher Weise gemindert. Einige Privatanleger duften ihre Einlagen, nach den vertraglichen Regelungen, ratenweise in das Gesellschaftsvermögen einzahlen. Die da schon bestehenden Zahlungsschwierigkeiten waren den privaten Anliegern nicht bekannt. Sie hätten, bei Kenntnis der wahren Sachlage, voraussichtlich auf weitere Einzahlungen verzichtet, wodurch ihr eigenes Vermögen nicht weiter gemindert worden wäre. Vor diesem Hintergrund nahm der erste Strafsenat eine Rechtspflicht der Geschäftsführer an, die Privatanleger über die wirtschaftliche Minderung ihrer Wertanlagen zu informieren, und ließ ihre Verurteilung wegen Betruges (§ 263 StGB) daher bestehen. Aus Sicht des BGH hätten zahlreiche Möglichkeiten bestanden, dieser Verpflichtung auch praktisch nachzukommen. Trotz des eigenen strafbaren Vorverhaltens sei es den Angeklagten zudem zumutbar gewesen, ihrer rechtlichen Pflicht zu genügen. Denn der insoweit berührte verfassungsrechtliche Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit gebiete es nicht, jede Form der eigenen Begünstigung auch dann straflos zu stellen, wenn strafrechtlich geschützte Rechtsgüter Dritter beeinträchtigt würden.
André Neumann, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht, Zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht (DAA)