Versetzung – Muss ein Arbeitnehmer eine unbillige Weisung befolgen?
Aufgrund der Rechtsprechung des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts (etwa durch das Urteil vom 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11) stand bislang fest, dass sich ein Arbeitnehmer über eine unbillige Weisung nicht hinwegsetzen darf. Dies gilt sofern die Weisung nicht auch aus anderen Gründen unwirksam ist und solange keine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorliegt, die deren Unwirksamkeit feststellt.
Der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts beabsichtigt nunmehr, diese Rechtslage grundlegend zu ändern. Der Arbeitnehmer soll einer unbilligen Weisung des Arbeitgebers nicht – auch nicht vorläufig - folgen müssen. Dies soll selbst dann gelten, wenn keine dementsprechende rechtskräftige Entscheidung eines Arbeitsgerichts vorliegt. Damit will der Zehnte Senat die Rechtsprechung des Fünften Senats abschaffen.
Der Zehnte Senat hatte über einen Fall zu urteilen, in dem der Kläger bei der Beklagten am Standort Dortmund beschäftigt war. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 23. Februar 2015 mit, dass sie ihn für die Zeit vom 16. März bis zum 30. September 2015 am Standort Berlin einsetzen werde. Nachdem der Kläger seine Arbeit am Standort Berlin nicht aufgenommen hatte, mahnte ihn die Beklagte im März 2015 ab. Im April 2015 erfolgte eine weitere Abmahnung. Im Mai 2015 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Mit seiner Klage wollte der Kläger u.a. festgestellt wissen, dass er nicht verpflichtet war, der Weisung vom 23. Februar 2015 Folge zu leisten. In einem weiteren Verfahren wendet er sich gegen die Wirksamkeit der Kündigung. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Die Bestimmungen des Arbeitsvertrags der Parteien ließen zwar grundsätzlich eine Änderung des Arbeitsortes des Klägers zu, die Versetzung von Dortmund nach Berlin habe aber nicht billigem Ermessen entsprochen. Diese Auffassung bestätigte der Zehnte Senat.
Mit Beschluss vom 14.06.2017 hat der Zehnte Senat deshalb beim Fünften Senat angefragt, ob dieser an seiner Rechtsauffassung festhält. Es bleibt somit abzuwarten, ob es demnächst zu einer grundlegenden Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Weisungsrecht des Arbeitgebers kommt.
Felix Nietsch LL.M., Fachanwalt für Arbeitsrecht